Wer im Mittelalter mit der linken Hand schrieb, stand im Verdacht, eine Hexe oder Hexer zu sein. Das Bekreuzigen mit der linken Hand galt als unchristlich und wurde zuweilen mit dem Tod bestraft. Bis in die 70er Jahre hinein wurden Linkshänder*innen umgeschult und eine überdurchschnittliche Begabung der linken Hand als Makel abgetan. Und auch, wenn heutzutage noch viele Geräte nur für die Betätigung mit der rechten Hand ausgerichtet sind, wird Linkshändigkeit nicht mehr als Nachteil angesehen.
Wie eine Fähigkeit oder Begabung gesellschaftlich bewertet wird, ändert sich und hängt unter anderem davon ab, was zu der Zeit unter Intelligenz verstanden wird. Wie sich Intelligenz konstituiert, hängt von den Methoden und Fähigkeiten ab, die kombiniert werden, um auf ein Problem zu reagieren und kann dadurch gemessen werden, wie schnell das Problem von ihr gelöst wird. Entscheidend ist aber, dass die Intelligenz immer von einer Reihe Faktoren und dem Kontext abhängig ist, in dem sie ihre Anwendung finden soll.
Der Begriff künstliche Intelligenz stammt aus den 50er Jahren, also den Anfängen der Forschung auf diesem Gebiet. Damals war das Ziel, einem synthetischen neuronalen Netzwerk menschliche Fähigkeiten beizubringen. Auf Forschungskongressen zum Thema sollten die Netzwerke Schachspielen und schriftliche Kommunikation erlernen. Der Turing-Test gilt als bestanden, wenn eine Person mit der künstlichen Intelligenz Nachrichten austauscht ohne zu erkennen, dass es sich um eine Maschine handelt. Eine künstliche Intelligenz ist demnach eine, die nicht mehr vom Menschen zu unterscheiden ist. Doch gesetzt den Fall, dass in den nächsten Jahren eine KI entwickelt wird, welche dieses Kriterium erfüllt – Inwiefern ist dies eine künstliche Intelligenz, wenn sie doch in nichts von einer menschlichen Intelligenz zu unterscheiden ist. An welchem Punkt beginnt eine solche Intelligenz, menschlich zu sein?
Von hier aus kann man sagen, dass jede Form menschlicher Intelligenz künstlich sei, da sie stets auf ein nicht-menschliches Umfeld reagiere und damit in ihren Handlungen niemals eine Natürlichkeit erreichen könne. Eine natürliche Intelligenz sei eine nicht-menschliche. Zur Lösung des Problems muss die Trennung von Natur und Mensch betrachtet werden. Die Definition der Umwelt geschieht durch die Innenwelt des Menschen und ist dadurch ein Teil von dessen Selbstverständnis. Innenwelt und Umwelt bedingen sich gegenseitig. Durch die Existenz eines menschlichen Innenlebens wird unser Bewusstsein für eine natürliche Umwelt geschaffen und wir werden zu dieser Umwelt in Beziehung gesetzt. Wenn alles menschliche Handeln künstlich sei – in Abgrenzung zu einer nichtmenschlichen Natürlichkeit – und eine der menschlichen nachempfundene Intelligenz als künstlich bezeichnet wird, so ist vielleicht dass, was wir künstliche Intelligenz nennen, anders zu bezeichnen. Die Trennlinie verläuft meiner Meinung nach nicht bei der Frage nach Künstlichkeit oder Natürlichkeit. Vielmehr ist die Körperlichkeit entscheidend. Das menschliche Denken findet nicht nur in einem neuronalen Netzwerk statt, welches von einer Körpermaschine in Betrieb gehalten wird, vielmehr ist der Körper ja ein zusammenhängender Organismus, der durch Reflexe und Bedürfnisse gesteuert wird. Wie kann nach diesen Dispositionen eine virtuelle Intelligenz an zukünftigen Gesellschaften beteiligt werden?