Digitale Bild-Musik-Verbindungen bei Jens Brand, Orm Finnendahl und Michael Beil

Viele Komponisten der gegenwärtig mittleren Genera­tion im Alter von vierzig bis fünfzig Jahren arbeiten selbstverständlich mit Computer und Video. Der technologisch-demographischen Gesetzmäßigkeit folgend sind es noch mehr in der Generation der unter Vierzig- oder unter Dreißigjährigen. Mit Videos komponiert auch ­Michael Beil, Jahrgang 1963 und seit 2007 Leiter des Studios für Elektronische Musik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Dabei geht es ihm vorrangig um ein Spiel mit der Zeitlichkeit von Musik und ihrer Wahrnehmung auf der Grundlage von Erinnerungen, Vergegenwärtigungen, Antizipationen und aktuellen Gehörs- und Gesichtseindrücken.

In vielen Fällen gerät Intermedialität zu bloßem Entertainment oder zu beliebiger Bebilderung von Musik, die nicht im Hinblick auf visuelle Inszenierungen konzipiert wurde. Manch avantgardistisch gemeinte Computerbildperformance mit leuchtenden Wellenlinien und wogendem Rankenwerk wirkt schnell beliebig als bloß schmückendes Beiwerk zur Musik, selbst wenn sie wie die Musik demselben digitalen Code entspringen sollte. Vieles in diesem Bereich lässt sich kaum unterscheiden von popkulturellem Ambiente-, Licht- und Farbdesign, wie es in einschlägigen Lokalen, Clubs oder Diskotheken flimmert. Oft läuft Musik in Verbindung mit Video Gefahr, durch die herrschende Dominanz des Auges über das Ohr marginalisiert zu werden. Was muss geschehen, damit die visuelle Ebene die Aufmerksamkeit des Betrachters wieder auf das Hörbare zurücklenkt?

Sofern der Einsatz neuer Medien neue Darstellungs- und Ausdrucksmittel erschließt und dem Publikum neue Erfahrungsmöglichkeiten eröffnet, ist diese Entwicklung sehr zu begrüßen. Gerade durch eine möglichst integrale Gesamtkonzeption von Bild und Klang, die beide Ebenen von Anfang an direkt aufeinander bezieht, lassen sich beispielsweise Analogien und Strukturparallelen zwischen den Medien aufdecken und zwischen den verschiedenen Sinnen auch verschiedene oder ähnliche wahrnehmungspsychologische Bedingungen bewusst machen. Vielleicht können der Musik dadurch neue Anschlussstellen zu Lebens- und Erfahrungsbereichen zuwachsen, die auch Hörer jenseits der traditionellen Instrumental- oder Vokalmusik erreichen, indem sie diesem Publikum alternative Zugänge zu neuer Musik öffnen. Doch obwohl Michael Beil in seinen Video-Musik-Kompositionen ausdrücklich mit der Zeitlichkeit der Wahrnehmung zwischen Erinnerung, unmittelbarer Gegenwart und Erwartung spielt, ist er skeptisch, was die Möglichkeit einer besseren Vermittlung neuer Musik durch einbezogene Videos betrifft.

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