Im Anfang war der Raum wüst und leer. Doch dann huschten „Avatare“ umher, sorgten für Licht, schleppten Objekte herbei, nahmen Instrumente, Maschinen, Plattenspieler und Fernseher in Betrieb. Etwas begann zu leuchten, zu tönen, sich zu bewegen. Wie die alttestamentarische Schöpfungsgeschichte dauerte das Projekt „Genesis“ des Hamburger Komponisten Alexander Schubert volle sieben Schöpfungstage von Montag bis Sonntag jeweils vierundzwanzig Stunden nonstop. Es war die einzige Veranstaltung des fünften Internationalen Musikfests Hamburg, die Ende April trotz Corona unbeschadet über die Bühne gehen konnte, während sämtliche Konzerte in der Elbphilharmonie wie auch sonst überall wegen Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverboten ausfallen mussten.
Via Internet konnten sich bis zu vier Spieler gleichzeitig in dieses „Real Life Computer Game“ einschalten. Durch die Virtual-Reality-Brille eines Mitglieds des Hamburger Ensembles Decoder sah dann jeder Spieler eine Stunde lang zu einer von ihm zuvor fest gebuchten Zeit auf dem heimischen Monitor ähnlich dem populären Computerspiel „Minecraft“ die Hände seiner „Spielfigur“ und den dahinter liegenden Raum des stillgelegten Kraftwerks Bille im Hamburger Osten. Mikrophon und VR-Brille der Spielfigur vermittelten, was jener andere dort sah und hörte, während man selbst bequem zu Hause saß. Aktiv „steuern“ konnte man sein Alter Ego über das eigene Computermikrophon mittels verbaler Anweisungen, wohin jener sich bewegen, wohin er sehen, was er machen solle. Die erste Erkundungstour führte zunächst an Plastikfolien vorbei, streifte Scheinwerfer und landete schließlich bei einem Setting mit E-Gitarre, Keyboard und Drums. Nun galt es: „Spiele einen Song auf der Gitarre, greife einen C-Dur-Akkord, schlage die Snare!“ Gesagt, getan, gesehen, gehört. Jeder Befehl veränderte ein bisschen Szene und Klangsituation. Desgleichen taten die „Avatare“ der anderen Spieler, die sich von woher auch immer in das Geschehen einschalteten.